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16. Türchen

by P-Seminar "Utopie und Dystopie"

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16.
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Parasiten… Ihhhhhh!

„Stoooop! Bei allen elektromagnetischen Wellen dieses Universums!“ Mein Arm schießt vor und zieht die Hand meines Partners gerade noch rechtzeitig von dem leuchtend roten Knopf auf dem Armaturenbrett vor uns weg. „Dir ist schon klar, dass du beinahe eine Gesamtpopulation von 50 Milliarden 873 Millionen 736 Tausend 489 Lebewesen mit dem Satz: „Schuldig im Sinne der Anklage und ciao amigos“ – begleitet von einem einfachen Knopfdruck – ausgelöscht hättest? Wir müssen das erst genau unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren überdenken, auch wenn uns der Boss freie Hand in dieser Entscheidung gelassen hat!“ Meine linke Augenbraue erklimmt ganz neue Höhen, um meine Warnung deutlich zu machen, als ich das nonchalante Schulterzucken meines Partners – sowohl in dieser Mission, als auch meines Lebens – sehe.
Mit zusammengekniffenen Augen wende ich mich wieder dem Versuchsobjekt – alias dem Planeten Erde – zu und spüre im selben Moment, wie sich meine Pupillen erneut um weitere vier Millimeter verkleinern, geblendet durch die schiere Leuchtkraft der Millionen von elektrischen Lichtquellen, die die Menschen aufgrund ihrer eingeschränkten Sehfähigkeit nutzen müssen, um in absoluter Dunkelheit nicht über ihre eigenen tollpatschigen Füße zu stolpern. Tja, ihre steigende Bevölkerungszahl in den vergangenen Jahren impliziert im Grunde weitere Horden von Nachtblinden, sodass die eine Hälfte des einst
dunklen und friedlichen Planeten nun mit den Sternen um die Wette strahlt. Die globale Lichtverschmutzung ist nur ein selbstzerstörerisches Phänomen von vielen. Homo sapiens, ja von wegen „vernünftiger Mensch“!
„Die Erdenbewohner mögen durchaus destruktives Verhalten an die Jahrhunderte gelegt haben, jedoch kann man an ihrem Lernprozess in Abhängigkeit der überdauerten Zeit durchaus vereinzelt Verbesserungen feststellen“, gebe ich widerwillig zu. „Nicht nur im letzten Jahrtausend im Bereich der Ethik, sondern auch in ihren kurzfristigen Versuchen, nachhaltiger zu agieren. Es wäre inakzeptabel, ihre Kreativität, welche zu imposanten Bauwerken, künstlerischen Geniestreichen und technischen Erfindungen geführt hat, unerwähnt zu lassen.“
Ich spüre die Stimmungsänderung meines Partners, noch bevor die silbrige Haut seiner Handgelenke durch das leitende Gefühl der Wut in einem schwachen Schwarz zu schimmern beginnt. „Die Betonung liegt auf ‚Sie versuchen es‘! Der Erfolg ihrer Bemühungen ist relativ. Seit Jahren wollen sie die Zerstörung ihres eigenen Planeten aufhalten – welche sie, wenn ich das noch erwähnen dürfte, selbst verursacht haben – aber nicht aus Respekt vor dem einzig idealen Lebensraum, der ihnen zur Verfügung steht, sondern ausschließlich, weil sie Angst haben, nicht weiter auf einem kranken Planeten überleben zu können. Das zeigt wieder einmal mehr, wie selbstbezogen ihr Wesen doch ist. Selbst ich
dunklen und friedlichen Planeten nun mit den Sternen um die Wette strahlt. Die globale Lichtverschmutzung ist nur ein selbstzerstörerisches Phänomen von vielen. Homo sapiens, ja von wegen „vernünftiger Mensch“!
„Die Erdenbewohner mögen durchaus destruktives Verhalten an die Jahrhunderte gelegt haben, jedoch kann man an ihrem Lernprozess in Abhängigkeit der überdauerten Zeit durchaus vereinzelt Verbesserungen feststellen“, gebe ich widerwillig zu. „Nicht nur im letzten Jahrtausend im Bereich der Ethik, sondern auch in ihren kurzfristigen Versuchen, nachhaltiger zu agieren. Es wäre inakzeptabel, ihre Kreativität, welche zu imposanten Bauwerken, künstlerischen Geniestreichen und technischen Erfindungen geführt hat, unerwähnt zu lassen.“
Ich spüre die Stimmungsänderung meines Partners, noch bevor die silbrige Haut seiner Handgelenke durch das leitende Gefühl der Wut in einem schwachen Schwarz zu schimmern beginnt. „Die Betonung liegt auf ‚Sie versuchen es‘! Der Erfolg ihrer Bemühungen ist relativ. Seit Jahren wollen sie die Zerstörung ihres eigenen Planeten aufhalten – welche sie, wenn ich das noch erwähnen dürfte, selbst verursacht haben – aber nicht aus Respekt vor dem einzig idealen Lebensraum, der ihnen zur Verfügung steht, sondern ausschließlich, weil sie Angst haben, nicht weiter auf einem kranken Planeten überleben zu können. Das zeigt wieder einmal mehr, wie selbstbezogen ihr Wesen doch ist. Selbst ich
kann diese Irrationalität nicht nachvollziehen. Dabei habe ich mehr Neuronen in meiner Denk-, Kontroll- und Verwaltungszentrale, als sich die Menschen je erträumen könnten.“
„Ein berechtigter Punkt“, stimme ich direkt zu. Auch mir fällt es schwer, eine Logik hinter einem selbstverschuldeten Selbstzerstörungsprozess zu erkennen. Das Ergebnis: Ein pathologischer Mangel an logischem Denkvermögen. Problematisch. Doch auch, wenn ich selbst die Menschen mehr als nur dubios finde, ist es unsere Pflicht diese Pro- und Contra-Liste fortzuführen. Schließlich geht es hier um die Frage, ob eine Massenvernichtung der Spezies Homo sapiens notwendig ist, oder nicht.
„Wir mögen ihre Art für schwach, irrational, unwissend und irritierend halten, doch eine Einheit besteht immer aus Individuen. Wir wissen, dass ein beachtenswerter Prozentsatz während ihrer kurzen Lebensspanne Gutes tut. Nicht jeder von ihnen hat es verdient, dafür bestraft zu werden, dass sich die Zerstörungskraft der Menschen exponentiell mit ihrer Anzahl steigert. Das bedeutet, dass ein paar anscheinend hinter sich aufräumen können. Außerdem– “
Gerade, als ich neu ansetzten will, fliegt ein weiteres Fragment von menschenvergessenem Weltraumschrott vorbei, der sich in den vergangenen Jahrtausenden rasant angehäuft hat. Jedoch war dieses Exemplar schon sehr bizarr. Meine Augen folgen dem grell leuchtenden Banner mit der Aufschrift „Peace, Aliens!“, bis es unser Fenster passiert hat. Ich höre meinen Partner neben mir tief Luft holen, doch ich hebe rigoros die Hand. „Sag nichts!“
Die Menschen machen es einem aber auch wirklich nicht leicht, Partei für sie zu ergreifen!, denke ich pikiert.
„Wie auch immer“, nimmt mein Partner zögerlich das Gespräch wieder auf. „Abgesehen davon, dass die Individuen ihrer Art mittlerweile nicht nur eine Gefahr für den Planeten Erde darstellen, sondern sich auch noch auszubreiten zu versuchen und damit auch unseren Lebensraum gefährden, haben wir noch gar nicht in Betracht gezogen, was sie sich untereinander antun. Steigende Zahlen in allen Bereichen: Kriege, Gewalt, Hass, Missbrauch, Sklaverei, Ausbeutung, Folterung, Suizide, Vergewaltigung, Unterdrückung, Diskriminierung, Rassismus, …“
Während den folgenden ernüchternden 1279 aufgezählten Punkten fühle ich, wie meine Fingerspitzen beginnen, in einem hellen Blau zu leuchten, als mich das Gefühl der Trauer überkommt. Was ist der Sinn hinter diesem selbstsüchtigen Verhalten der Menschen? Ein Mann, der einen anderen Mann auf der Straße als Dreck und Abschaum beschimpft, ist am Ende seiner mickrigen Lebenszeit genau das: Staub. Erde. Dreck. Wie deprimierend es doch ist, verzweifelt nach einem Zweck zu suchen, wenn dieser schlichtweg nicht existiert? Das Phosphor fluoreszierende träge Blau meiner Haut wandelt sich parallel zu meiner schwankenden Stimmung in ein wütendes, dunkles Schwarz.
„Ein Großteil der noch bestehenden Staaten hat zudem das lang vergessene Todesurteil wieder eingeführt. Die Menschen strafen Mörder und Verbrecher also mit dem Tod. Legitimiert uns das nun, diesen Knopf zu drücken, um die Mörder der Erde nach ihrem Ethos gerecht zu bestrafen?“
1280. „97 Prozent ihrer Bevölkerung weiß nicht, was ein „Wal“ ist, nachdem auch die letzten Exemplare vor 2000 Jahren den Kampf gegen Plastik und Öl verschmutze
„Wie auch immer“, nimmt mein Partner zögerlich das Gespräch wieder auf. „Abgesehen davon, dass die Individuen ihrer Art mittlerweile nicht nur eine Gefahr für den Planeten Erde darstellen, sondern sich auch noch auszubreiten zu versuchen und damit auch unseren Lebensraum gefährden, haben wir noch gar nicht in Betracht gezogen, was sie sich untereinander antun. Steigende Zahlen in allen Bereichen: Kriege, Gewalt, Hass, Missbrauch, Sklaverei, Ausbeutung, Folterung, Suizide, Vergewaltigung, Unterdrückung, Diskriminierung, Rassismus, …“
Während den folgenden ernüchternden 1279 aufgezählten Punkten fühle ich, wie meine Fingerspitzen beginnen, in einem hellen Blau zu leuchten, als mich das Gefühl der Trauer überkommt. Was ist der Sinn hinter diesem selbstsüchtigen Verhalten der Menschen? Ein Mann, der einen anderen Mann auf der Straße als Dreck und Abschaum beschimpft, ist am Ende seiner mickrigen Lebenszeit genau das: Staub. Erde. Dreck. Wie deprimierend es doch ist, verzweifelt nach einem Zweck zu suchen, wenn dieser schlichtweg nicht existiert? Das Phosphor fluoreszierende träge Blau meiner Haut wandelt sich parallel zu meiner schwankenden Stimmung in ein wütendes, dunkles Schwarz.
„Ein Großteil der noch bestehenden Staaten hat zudem das lang vergessene Todesurteil wieder eingeführt. Die Menschen strafen Mörder und Verbrecher also mit dem Tod. Legitimiert uns das nun, diesen Knopf zu drücken, um die Mörder der Erde nach ihrem Ethos gerecht zu bestrafen?“
1280. „97 Prozent ihrer Bevölkerung weiß nicht, was ein „Wal“ ist, nachdem auch die letzten Exemplare vor 2000 Jahren den Kampf gegen Plastik und Öl verschmutze
Gewässer verloren haben. 80 Prozent der Kinder haben noch nie von einem Lebewesen namens „Schmetterling“ gehört oder sind sich bewusst, dass einst die anmutigste aller Raubkatzen mit bis zu 120 km/h über die Savanne gejagt und damit das schnellste Landtier des Planeten gewesen ist.“
1281.
Mein Partner umschließt meine verkrampfte Hand mit der seinen, als Zeichen, dass er mein Leid teilt. Beide leuchten sie nun erneut in einem satten Azurblau, welches unseren Schmerz über die vielen Verluste unvergleichbarer und einmaliger Spezies widerspiegelt. Ein leises Geräusch durchdringt die unbehagliche Stille. Langsam drehen wir uns von dem deprimierenden Anblick der leidenden Erde weg und ohne uns abzusprechen, weiß ich, dass mein Partner die gleiche Idee hat wie ich.
Es war an der Zeit für die reinste Art der Entscheidungsfindung: Pure kindliche Ehrlichkeit.
Er ist erst vor einigen Wochen geschlüpft und hat bereits die zerebralen Vermaschungsnetze und das physische sowie psychische Entwicklungsstadium eines 5-jährigen Menschenkindes überschritten. Voraussichtlich kann er in spätestens weiteren drei Wochen seine Ausbildung beginnen. Vorsichtig hebe ich den Kleinen zu mir auf den Schoß und deute auf den Naturgiganten vor uns. Seine Augen beginnen sofort interessiert und wissbegierig aufzuleuchten.
„Die Erde?“
Mein Partner runzelt leicht die Stirn: „Prädikat?“
„Ist das die Erde?“ fragt der Kleine erneut – nicht weniger begeistert – und ich stimme schmunzelnd zu.
„Ja. Und wie du weißt, wird sie von den Menschen
bewohnt. Doch im Gegensatz zu uns beuten sie ihren Lebensraum aus. Sie sind zu gierig, zu unbesorgt und konzentrieren sich nur auf das hier und jetzt. Die Erde stirbt, doch die Wenigsten von ihnen bringen tatsächlich den Mut auf hinzusehen, um das Werk ihres Handelns mit all seinen Konsequenzen zu begreifen.“
Mit großen Augen sieht der Kleine zu mir auf.
„Diese Lebewesen betreiben also keine Symbiose, so wie wir es tun? Aber das ist doch die gerechteste Lösung für eine Lebensgemeinschaft!“, äußert er sich sofort. „Der Wirt und wir sind voneinander abhängig, erhalten viele Vorteile und beziehen dabei jeweils den größtmöglichen, gegenseitigen Nutzen. Das sichert das Fortbestehen beider Parteien!“
„Deswegen sind unsere beiden Spezies auch nicht miteinander kompatibel“, gebe ich zu bedenken. „Aber im Grunde hast du Recht: Ihr Verhalten ist vieles, aber nicht gerecht. Wie findest du das? Würdest du die Dinge fortlaufen lassen, da auch die Natur ihre Schattenseiten hat, oder würdest du die Menschen bestrafen wollen?“
Gespannt betrachten mein Partner und ich den jungen Nachwuchs, der plötzlich sehr misstrauisch seine Augen zusammenkneift.
„Die Menschen ziehen also nur einseitig Nutzen, leben auf Kosten des Planeten und schädigen diesen dabei in erheblichem Maße?“
Beide nicken wir als Antwort, sodass er fortfährt. „Haben sie Haare?“
Wieder ein Nicken. Dieses Mal etwas zögerlicher.
Der Kleine verschränkt seine Arme in trotziger Manier und deutet beinahe anklagend auf die Erde.
„Also sind die Menschen Parasiten?“
Ich blinzle.
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