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S. 4: Lilly Zillner - Nichts Besseres zu tun
Inhaltsverzeichnis
S. 6: Ilvy Daichendt - Entscheidungsschwierigkeiten
S. 8: Maria Stockinger - Kurzer Besuch
S. 10: Roman Paischer - Vergessenheit
S. 12: Leo Wieser - Betty Warner und der Diebstahl im Supermarkt
S. 14: Johanna Fink - Das Wiedersehen
S. 16: Eva Wolfersberger - Ein Neuanfang
S. 18: Magdalena Peer - Verstörende Reise durch Traum und Realität
S. 20: Tristan Mendler - Der Vorteil überwiegt
S. 22: Emilie Putz - Manchmal muss man mutig sein
S. 24: Mia Adomeit - Traum/Realität
S. 26: Simone Eng - Veranda am Meer
S. 28: Anna Haidenthaler - Karma
S. 30: Nina Achrainer - Visitenkarte
S. 32: Lea Thysell - Die Rettung
S. 34: Stella Reischauer - Generationen und deren Missverständnisse
S. 36: Tobias Gradl - Die Brieftasche!
S. 38: Hannah Stockinger - Ein misslungener Plan
S. 40: Lorenz Mang - Eine alte Bekanntschaft
S. 42: Wolfgang Brandstetter - Betty und der fremde Mann
S. 44: Connor Göhring - Der Taschendieb
S. 24: Mia Adomeit - Traum/Realität
S. 26: Simone Eng - Veranda am Meer
Alle Illustrationen zu den Kurzgeschichten wurden mithilfe von Magic Media erstellt, der Bild-KI von canva.com
Nichts Besseres zu tun
Ich werd´ dir´s schon zeigen, einen anständigen Menschen mach´ ich aus dir, kein Taschengeld, dein Bruder ist ganz anders, Hausarrest… (1. Absatz (Inputtext) aus Lore Graf - Nichts Besser zu tun)
… In diesem Moment wurde er zurück in den Klassenraum gerissen. Er hatte kleine Schweißperlen auf seiner Stirn und man sah ihm die Angst ins Gesicht geschrieben. Seine Mitschüler machten sich lustig über ihn und bewarfen ihn mit allen Dingen. Papier, Müll und auch Stifte. Er war niedergeschlagen und konnte sich nicht helfen. Seine Nase blutete und sein Bauch tat weh. Er hörte immer noch das Echo von dem Gedanken, was seine Mutter sagen könnte. ,,Sei ein Kerl! Nimm dir ein Vorbild an deinem Bruder! Kein Verlass auf dich, genau wie dein Vater!“ Immer und immer wieder hörte er diese Stimme seiner Mutter. Und das war es, was ihn am meisten traf, er hatte keine Unterstützung von seiner Familie. Keine Unterstützung von Freunden. Nichts. Keinen, der ihm den Rücken frei hielt. Er war allein. Er stand bloß da und ließ alles mit sich machen. Still saß er da und rührte sich keinen Zentimeter. Seine Klassenkameraden hatten sogar noch Spaß daran, Rolf mit allem möglichen Sachen zu beschmeißen und ihn runterzumachen. Nicht einmal ein schlechtes Gewissen hatten sie.
,,Was mache ich bloß falsch? Wieso hassen mich alle? Ich bin doch nett und habe nie etwas getan. Warum nur ich? Vielleicht sollte ich mich wehren? Aber das kann nichts werden. Ich will nicht, dass sie mich wieder zusammenschlagen!“
Doch plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Ein blondes, großes Mädchen stand plötzlich neben ihm und schrie alle anderen an.
,,Was um Himmelswillen macht die da? Ist die wahnsinnig geworden? Die weiß gar nicht, worauf sie sich da einlässt! Aber, wer ist sie überhaupt? Die geht nicht mal in meine Klasse. Was um Himmelswillen macht sie bloß?“ Rolfs Gedanken flogen wild umher. Doch in diesem Moment wurde es leise. Denn alle starrten nur sie an. Auch Max, der sonst immer laut war und immer etwas zu sagen hatte, brachte jetzt kein Wort mehr heraus.
Er stand nur da und starrte das Mädchen an.
von Lilly Zillner
-4-
Das Mädchen aber drehte sich zu Rolf und meinte: "Geht es dir gut? Bist du verletzt?". "Passt schon", sagte Rolf trocken und schüchtern. Er war immer noch unter Schock, denn er wusste nicht, ob sie ihm half oder einfach nur so tat als ob. Wer ist dieses Mädchen? Der Gedanke ließ ihn einfach nicht los…
-5-
Entscheidungsschwierigkeiten
von Ilvy Daichendt
Betty Warner war eine gute Seele, aber die Brieftasche, die aus der Hosentasche des Mannes hervorlugte, der im Supermarkt vor ihr herging, reizte sie. An verschiedenen Arbeitsstellen hatte sie sich heute beworben - aber niemand wollte sie nehmen. Sie hatte auf dem Weg nach Hause den Markt nur betreten, um sich zu wärmen, denn sie fror bis ins Innerste. Sie bemühte sich, nicht auf die Brieffasche zu schauen, aber die blickte so verführerisch unter dem Jackett des Mannes hervor, und sie sah es dem Herrn an, dass er schnell einmal seine Brieftasche verlieren könnte. Denn das, was allein sein Anzug kostete, hätte ihr einen Monat zum Lebensunterhalt genügt. (1. Absatz (Inputtext) stammt aus: Anna Drawe – Im Warenhaus (1982))
Sie konnte ihre Gedanken nicht von der Brieftasche abbringen. Sie war immer noch arbeitslos, obwohl sie sich wöchentlich bei mindestens vier Jobs bewarb. Auch heute absolvierte sie wieder ein Vorstellungsgespräch. Wieder nichts. Sie versagte immer. Betty war kurz vorm Verzweifeln.
Mit der Geldtasche und dem Geld darin könnte ich wahrscheinlich diesen Monat meine Miete bezahlen. Aber nein, das tust du nicht mehr. Du warst schon einmal in Schwierigkeiten wegen so etwas. Ich muss einen anderen Ausweg finden. Irgendeinen anderen Weg. Ich werde einfach frieren und fasten. Auf Strom kann ich auch verzichten.
Der Mann vor Betty blieb stehen und sah sich das Regal im Markt genau an. Sie wollte weiter gehen, einfach weg gehen von ihm. Von dem Geld. Von dem, was ihr das Leben leichter machen könnte. Was ihr aus der grauenvollen Situation, in der sie sich gerade befand, helfen könnte.
Doch ihr Körper entschied sich dagegen. Es war, als wäre sie eingefroren. Kein Fuß setzte sich vor dem anderen. Nichts. Nur ihre Augen. Diese beobachteten den Mann. „Sieh weg“, dachte sie. Zum Glück wurde sie erhört. Betty blickte in Richtung Regal. Es war gefüllt mit Nudeln. Spagetti, Spiralen. Alles Mögliche.
Sie konnte ihre Gedanken nicht von der Brieftasche abbringen. Sie war immer noch arbeitslos, obwohl sie sich wöchentlich bei mindestens vier Jobs bewarb. Auch heute absolvierte sie wieder ein Vorstellungsgespräch. Wieder nichts. Sie versagte immer. Betty war kurz vorm Verzweifeln.
Mit der Geldtasche und dem Geld darin könnte ich wahrscheinlich diesen Monat meine Miete bezahlen. Aber nein, das tust du nicht mehr. Du warst schon einmal in Schwierigkeiten wegen so etwas. Ich muss einen anderen Ausweg finden. Irgendeinen anderen Weg. Ich werde einfach frieren und fasten. Auf Strom kann ich auch verzichten.
Der Mann vor Betty blieb stehen und sah sich das Regal im Markt genau an. Sie wollte weiter gehen, einfach weg gehen von ihm. Von dem Geld. Von dem, was ihr das Leben leichter machen könnte. Was ihr aus der grauenvollen Situation, in der sie sich gerade befand, helfen könnte.
Doch ihr Körper entschied sich dagegen. Es war, als wäre sie eingefroren. Kein Fuß setzte sich vor dem anderen. Nichts. Nur ihre Augen. Diese beobachteten den Mann. „Sieh weg“, dachte sie. Zum Glück wurde sie erhört. Betty blickte in Richtung Regal. Es war gefüllt mit Nudeln. Spagetti, Spiralen. Alles Mögliche.
Aus dem Blickwinkel heraus beobachtete sie den Anzugmann, wie er sich bückte. Sie hörte, wie etwas auf den Boden fiel. Sie erstarrte. „Bitte lass es nicht das sein, was ich denke, dass es ist. Ich könnte mich nicht zurückhalten“, bettelte Betty in ihren Gedanken. Er erhob sich. Ging weg und hatte etwas zurückgelassen.
Die Brieftasche lag da. Ohne Besitzer. Derweil noch unvermisst. Auf dem kalten Boden. Sie konnte sich nicht abbringen lassen.
Bettys Finger streckten sich nach ihr aus und innerhalb weniger Sekunden hatten sie die Geldbörse zu fassen bekommen. Es war ja so einfach. Viel zu einfach, jetzt musste sie nur noch raus und weg war sie.
Das war falsch. Was habe ich getan? Es war ein Fehler. Der Mann, er wird sie suchen, es anzeigen. Dann muss ich wieder zurück. Dann sperren sie mich wieder ein. Aber mein Leben kann ja eigentlich nicht noch schlimmer werden. Dort hätte ich es wenigstens warm und ich könnte essen. Vielleicht sollte ich einfach noch etwas von hier mitnehmen. Etwas, bei dem der Alarm anschlägt, dann würden sie auch die Brieftasche finden.
Vollbeladen steuerte Betty auf den Ausgang zu. Das schlechte Gewissen packte sie schon jetzt. Ihre Knie wurden weich. Sie versuchte sich nur aufs Gehen zu konzentrieren. Da hörte sie es. Ein piepsendes Geräusch.
Die Brieftasche lag da. Ohne Besitzer. Derweil noch unvermisst. Auf dem kalten Boden. Sie konnte sich nicht abbringen lassen.
Bettys Finger streckten sich nach ihr aus und innerhalb weniger Sekunden hatten sie die Geldbörse zu fassen bekommen. Es war ja so einfach. Viel zu einfach, jetzt musste sie nur noch raus und weg war sie.
Das war falsch. Was habe ich getan? Es war ein Fehler. Der Mann, er wird sie suchen, es anzeigen. Dann muss ich wieder zurück. Dann sperren sie mich wieder ein. Aber mein Leben kann ja eigentlich nicht noch schlimmer werden. Dort hätte ich es wenigstens warm und ich könnte essen. Vielleicht sollte ich einfach noch etwas von hier mitnehmen. Etwas, bei dem der Alarm anschlägt, dann würden sie auch die Brieftasche finden.
Vollbeladen steuerte Betty auf den Ausgang zu. Das schlechte Gewissen packte sie schon jetzt. Ihre Knie wurden weich. Sie versuchte sich nur aufs Gehen zu konzentrieren. Da hörte sie es. Ein piepsendes Geräusch.
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